Die innere Last des Kündigens – wenn Führung weh tut

Kündigungen gehören zu den Aufgaben, für die es nie eine Routine gibt. Selbst erfahrene Führungspersonen fühlen sich jedes Mal neu gefordert, wenn sie vor diesem Schritt stehen. Und doch gehören Kündigungen zu den Aufgaben jeder HR-Verantwortlichen oder Führungskraft: Sie lassen sich nicht immer vermeiden.

Etwas leichter fällt es, wenn es sich um Einzelfälle handelt, die eine Vorgeschichte haben – etwa wenn eine Person dauerhaft nicht ins Team passt oder die Leistung ungenügend ist. Solche Kündigungen sind zwar unangenehm, aber sie lassen sich rational begründen und haben eine längere Vorlaufzeit.

Anders ist es, wenn wirtschaftliche Gründe den Ausschlag geben: Das sind Prozesse, die man selten erlebt – manchmal vielleicht nur einmal in einer ganzen Karriere. Sie sind besonders belastend, weil es dann oft nicht um eine Person geht, sondern um mehrere gleichzeitig. Und weil plötzlich auch gute, engagierte und qualifizierte Mitarbeitende betroffen sind, die man unter normalen Umständen nie gekündigt hätte. Genau hier entsteht ein besonders grosser psychischer Druck für die Führungskraft.

Der Vorbote – wenn klar wird, dass es nicht mehr reicht

Bevor überhaupt ein Name auf einer Liste steht, beginnt der innere Druck. Die Zahlen sehen bedrohlich aus, Zukunftsszenarien zur Unternehmensentwicklung lassen wenig Spielraum. In dieser Phase entstehen Gefühle wie Angst vor Kontrollverlust, Verdrängung («vielleicht erholt sich die Lage von allein») oder schlicht Überforderung bei der Suche nach Alternativen.

Das kann sowohl den CEO als auch die HR-Verantwortliche betreffen – und in KMUs oft sogar ein und dieselbe Person. Genau hier zeigt sich die besondere Last kleiner Unternehmen: wenige Menschen tragen eine sehr grosse Verantwortung.

Die Entscheidung – wen trifft es?

Dies ist die quälendste Phase. Jede Variante tut weh: der junge Mitarbeiter, der gerade erst gestartet ist; die ältere Kollegin, die seit Jahrzehnten dazugehört; die langjährige Stütze des Teams oder der Leistungsträger, den man eigentlich halten möchte. Besonders schwer wiegt es, wenn man weiss, dass ältere Mitarbeitende auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen haben – und damit in eine unsichere Zukunft entlassen werden.

Viele Verantwortliche erleben hier eine innere Zerrissenheit: Sie wissen, dass die Entscheidung betriebswirtschaftlich notwendig ist, empfinden sie aber gleichzeitig als moralisch kaum tragbar. Ein Gedanke kann helfen, die Last zu ordnen: Es geht nicht um den Wert eines Menschen, sondern um eine Rolle im Unternehmen, die unter den gegebenen Umständen nicht mehr finanzierbar ist.

Die Vorbereitung – Selbstschutz und Klarheit

Die Vorbereitung des Kündigungsgesprächs ist nicht nur für die betroffene Person wichtig, sondern auch für die eigene psychische Stabilität. Wer weiss, was er sagen will, wird weniger von spontanen Zweifeln überrollt. Wer mögliche Reaktionen durchdenkt, fühlt sich weniger überrumpelt. Und wer sich eingesteht, dass das Gespräch wehtun wird, kann innerlich ruhiger bleiben.

Hilfreich ist auch der Austausch mit anderen – sei es innerhalb der Führungsetage, mit einer vertrauten Person ausserhalb oder mit einem Coach. Gerade wer zum ersten Mal eine Kündigung aussprechen muss, profitiert enorm davon, mögliche Reaktionen der gekündigten Person im Vorfeld zu besprechen und darauf vorbereitet zu sein.

Ein hilfreiches Ritual ist, sich im Vorfeld drei Sätze aufzuschreiben, die man im Gespräch unbedingt sagen will. Einer sollte die Klarheit der Entscheidung enthalten, einer die Wertschätzung für die geleistete Arbeit, einer den Hinweis, wie es weitergehen kann. Diese kleine Struktur gibt Halt.

Das Gespräch – der Moment der Wahrheit

Kündigungsgespräche sind hochemotional. Für die verantwortliche Person bedeutet das, die eigenen Gefühle im Griff zu behalten und gleichzeitig menschlich zu bleiben. In diesem Moment haben die Gefühle der betroffenen Person Vorrang.

Vieles in einem drängt dazu, das Gespräch abzukürzen oder innerlich auf Abstand zu gehen. Doch genau das ist die Aufgabe: Stille aushalten, Reaktionen zulassen, den Raum geben. Man muss nicht auf alles sofort eine Antwort haben – es ist völlig legitim zu sagen: «Das möchte ich mir zuerst überlegen, ich melde mich bei dir.» Gerade diese Ehrlichkeit schafft Respekt.

Nach dem Gespräch – die Last bleibt

Viele Führungspersonen berichten, dass die eigentliche Schwere erst danach spürbar wird. Man spielt das Gespräch im Kopf durch und fragt sich: Habe ich es richtig gemacht? War die Entscheidung gerechtfertigt? Hätte es eine Alternative gegeben?

Besonders belastend sind diese Gedanken, wenn man weiss, dass die betroffene Person es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben wird. Schuldgefühle sind fast unvermeidlich. Eine weitere Dimension: Oft sind es nicht die Entscheidungsträger, die das Gespräch führen, sondern HR-Verantwortliche oder Linienvorgesetzte. Sie müssen eine Entscheidung ausführen, die sie selbst gar nicht getroffen haben – und tragen trotzdem die emotionale Last.

Reflexion ist wichtig. Aber Selbstanklage bringt niemandem etwas. Nicht jeder kann mit nahestehenden Personen aus dem privaten oder geschäftlichen Umfeld darüber sprechen. Ein Gespräch mit einem neutralen Coach oder einer weiteren Fachperson kann helfen, Distanz zu gewinnen und die eigene Rolle klarer zu sehen.

Die Nachwirkungen – im Team und bei sich selbst

Kündigungen wirken nach – auch bei jenen, die sie aussprechen. Körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Verspannungen oder innere Unruhe sind häufig. Manche entwickeln Zynismus oder kapseln sich emotional ab, um sich zu schützen. Doch auf Dauer untergräbt das die eigene Führungsfähigkeit.

Wichtiger ist es, die eigene Menschlichkeit zuzulassen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn Kündigungen Spuren hinterlassen – sondern ein Ausdruck von Verantwortungsbewusstsein und Empathie. Diese Phase ist schwierig, und sie darf als solche anerkannt werden. Entlastend wirkt der Austausch mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben – sei es im Kollegenkreis oder in einem professionellen Coaching.

Fazit

Kündigen ist nie Routine und niemals Spass. Es geschieht nicht aus Willkür, sondern aus Notwendigkeit. Manchmal gilt es, das kleinere Übel zu wählen: lieber einzelne Kündigungen aussprechen, als das Unternehmen als Ganzes zu gefährden.

Doch selbst wenn die betriebswirtschaftlichen Gründe klar sind, bleibt die psychische Belastung hoch. Wer sie annimmt, sich vorbereitet und auch für sich selbst sorgt, bleibt handlungsfähig – und bewahrt sich die eigene Menschlichkeit.

Kündigungen gehören zu den anspruchsvollsten Aufgaben in der HR-Tätigkeit. Wir begleiten Führungspersonen beratend, damit sie diese Schritte klar, professionell und mit innerer Stärke gehen können. Erfahren Sie hier, womit wir Sie unterstützen können.